10. November 2024

Flutkatastrophe in Valencia: welche Auswirkungen gab es auf den Weinbau?

Die Landwirtschaft in Valencia wurde schwer getroffen.

Die außergewöhnlich starken Regenfälle, die zu den verheerenden Überflutungen am 29. Oktober führten, trafen insbesondere Teile der Provinz Valencia stark. Der spanische Innenminister Fernando Grande-Marlaska spricht von der größten Tragödie in diesem Jahrhundert. Stand 08.11.2024 werden mindestens 219 Tote gezählt. Zahlreiche Menschen gelten noch als vermisst. Insgesamt sind allein in der Region Valencia über 300.000 Menschen und rund 75.000 Gebäude betroffen. Über diese Katastrophe ungeheuren Ausmaßes, zu der auch ein Versagen der Warnsysteme geführt hatte, wurde und wird auch viel in deutschen Medien berichtet, weshalb wir uns an dieser Stelle Wiederholungen sparen möchten und beispielhaft auf ausführliche Berichte hier, hier und hier verweisen.

Überschwemmte Felder, weggespülte Wege: die Lebensgrundlage vieler Menschen wurde vernichtet

Auch die Landwirtschaft wurde schwer getroffen: rund 34.000 Hektar kultivierte Fläche und Infrastruktur sind nach Schätzungen der Asociación Valenciana de Agricultores (AVA-ASAJA) zerstört oder schwer beschädigt (Stand 8.11.). Dabei sei ein Schaden von mindestens 1,089 Milliarden Euro entstanden – alleine für die Landwirtschaft in Valencia. Bei den betroffenen Flächen handelt es sich vor allem um Pflanzungen von Zitrusfrüchten, Kakis (Valencia ist der größte Produzent von Kakis in Spanien), Gemüse und Avocado, aber auch Wein, Mandeln und Oliven. Teilweise sollen bis zu 70 Prozent der Ernte betroffen sein. Auch Betriebe im Bereich Garten- und Zierpflanzen, ebenfalls ein wichtiger Wirtschaftszweig der Region, wurden in Mitleidenschaft gezogen. Zudem gaben valencianische Behörden bekannt, dass rund 3.000 tote Tiere aus Viehzuchtbetrieben zu verzeichnen seien (Stand 4.11.). Wie bei allen Angaben handelt es sich bei den Zahlen um vorläufige Schätzungen.

Viele Weinberge in Valencia wurden zerstört

Schwer getroffen wurde die Region Utiel-Requena im Nordwesten der Provinz Valencia. Hier liegt das bedeutendste Wein-Anbaugebiet der Region. Unter den zahlreichen Freiwilligen, die sich an den Aufräum- und Reinigungsaktivitäten beteiligen, sind auch viele Winzer:innen. Wie andere Landwirte auch, kamen sie mit ihren eigenen Traktoren und anderen Geräten, um Hilfe zu leisten, Straßen freizuräumen, da die staatlichen Stellen insbesondere in den ersten Tagen nicht überall präsent waren. Auf unsere Anfrage wenige Tage nach der Katastrophe teilte die DO Utiel-Requena mit, dass aktuell noch nichts Konkretes gesagt werden könne. »Im Moment geht es nur langsam voran. Wir waren ohne Strom, Wasser und Netz, so dass die Kommunikation nur langsam vorankam. Wir haben noch keine Schadensbeurteilung. Die Bemühungen konzentrieren sich derzeit darauf, das Wasser aus den betroffenen Häusern und Erdgeschossen zu entfernen«, erklärte Pressesprecherin Victoria Navarro Sancho. Weingüter, die Schäden erlitten haben, sollen von der DO Unterstützung erhalten, wie in einem später veröffentlichten Schreiben mitgeteilt wurde.

TodoVino hat sich mit verschiedenen Weingütern der Region unterhalten und nach ihrer Situation gefragt.

Annie von Viña Memorias ist mit dem Schrecken davongekommen: »Zu Beginn des Tages waren alle froh über die Regenfälle. Die lange Trockenzeit hatte ihre Spuren hinterlassen. Gegen 12 Uhr Mittags wurde der Regen intensiver und wir haben uns Sorgen gemacht. Um 15 Uhr konnten wir bereits das Weingut nicht mehr verlassen und bekamen von der Polizei den Hinweis, im Gebäude zu bleiben. Wir haben die Nachrichten über die Überschwemmungen in Utiel gesehen und nicht verstanden, was da gerade passiert.«

Rodolfo von Bodegas Vegalfaro ist völlig aufgelöst. Er hat den Tag als einen Albtraum erlebt, da keine Kommunikation, Strom oder Wasser in Requena verfügbar waren. Das Weingut und das Wohnhaus liegen an einem kleinen Bach, der sich urplötzlich in einen reißenden Fluss verwandelte. Alle Reben in dem Bereich wurden weggerissen, abgebrochen oder die Wurzeln freigelegt. Das Haus stand bis zum ersten Stock unter Wasser. Sie haben bereits alles rausgetragen, gereinigt und warten auf die Abholung der zerstörten Einrichtungsgegenstände.

Yolanda vom Weingut Vera de Estenas befand sich in Utiel auf einem technischen Meeting der DO Utiel-Requena. Und damit im Epizentrum der Niederschläge. Plötzlich wurde die Schulung abgebrochen und alle Teilnehmer aufgefordert sich umgehend nach Hause zu begeben. Die Niederschläge hatten bereits enorme Ausmaße angenommen und sie musste durch knöcheltiefes Wasser zum Auto laufen. Das Wasser floss bereits mit enormer Kraft die Straße hinunter. Mit viel Glück gelang es ihr ins Auto zu steigen und loszufahren. Da bereits Bäche über die Ufer getreten waren und enorme Wassermassen sich durch Utiel bewegten, war die Fahrt auf die Autobahn für sie sehr beunruhigend. Auf der Autobahn hatte sich derart viel Wasser gesammelt, dass die Fahrt anstatt der üblichen 15 Minuten Fahrzeit, sie drei Stunden gekostet hat. Sie kann es immer noch nicht fassen, welch unglaubliches Glück sie hatte, rechtzeitig aus Utiel rausgekommen zu sein.

Bei Viña Memorias sind sie glimpflich davongekommen. Weder haben sie große Schäden am Haus, noch an den Reben. »Unsere Reben stehen erhöht an Hängen, die vom Wasser verschont geblieben sind.« Während der Schaden an den Gebäuden überschaubar ist, war der emotionale Eindruck umso größer. Die Kommunikation war unterbrochen und nur wenige Informationen drangen zu ihnen. Sie hatten keine Ahnung, was genau da draußen gerade passierte. Die gesamte Nacht blieben sie vor Ort und haben kein Auge zugetan.

Bei Vera de Estanas hat die DANA vergleichsweise wenige Schäden verursacht. Einige Rebflächen sind komplett von Schlamm bedeckt und aktuell ist die Auffahrt zum Weingut unmöglich. Die meisten Reben stehen auf einer Anhöhe um das Weingut und sind deshalb nicht in Mitleidenschaft gezogen worden. Jetzt gilt es, mit aller Kraft den Nachbarn zu helfen und zu schauen, dass sich die Situation wieder normalisiert. Yolanda hat eine Freundin in Utiel, die alles verloren hat und sie macht sich große Sorgen, wer noch alles betroffen sein könnte. Im Weingut soll der Zugang zum Hotel des Weinguts schnell wieder ermöglicht werden, damit Gäste untergebracht werden können. Auch die Verkostungen sollen möglichst schnell wieder aufgenommen werden.

Vegalfaro hofft möglichst schnell auf schweres Gerät, damit der Bach und dessen Verlauf wieder befreit werden kann. Aktuell ist die natürliche Umgebung – das Weingut ist biozertifiziert und legt großen Wert auf eine intakte Umwelt – völlig zerstört. »Es wird einige Zeit dauern, bis wir in diesem Bereich wieder ein Gleichgewicht hergestellt haben und Reben pflanzen können«, so Rodolfo (lies hier ein Interview mit ihm zum Thema Trockenheit).

Historisch ist Valencia bereits oft von der sogenannten »Gota Fría« betroffen gewesen.

Die verantwortliche Wetterlage tritt vor allem im Herbst in der Region immer wieder auf, »Gota Fría« bedeutet auf Deutsch »Kalter Tropfen«. In Spanien wird dies offiziell als Depresión Aislada en Niveles Altos (DANA) bezeichnet. Gemeint ist damit kalte Luft in mehreren Kilometern Höhe, die aus dem Norden einfließt und über dem zu dieser Jahreszeit noch warmen Mittelmeer Starkregen auslöst. Ähnlich katastrophal wirkte sich das am 14. Oktober 1957 in Valencia aus, als über 81 Menschen den Wassermassen zum Opfer fielen. Das Wasser des Río Turía stand fünf Meter über dem regulären Pegel und setzte Valencia komplett unter Wasser. Bei den Großeltern von TodoVino-Redakteur Jörg waren die Auswirkungen in der Wohnung noch Jahrzehnte später sichtbar. Die im Erdgeschoss gelegene Wohnung hatte deutlich aufgequollene Wände in Bodennähe und je nach Feuchtigkeit bröckelten die Wände.

Die DANA in diesem Jahr war die Schlimmste seit 1957. Und die klimatischen Veränderungen verstärken dieses Phänomen.

Es wird immer noch Unterstützung benötigt! So kannst du helfen

Zusammen mit weiteren Medien und Blogs haben wir auf Instagram eine kleine Spendenaktion gestartet, die World Central Kitchen zugute kommt, die vor Ort Betroffene und Helfer:innen mit gutem Essen versorgen.

Hier gelangst du zum Instagram-Post.

Um der Spendenaktion (nur sichtbar in der App) mehr Aufmerksamkeit zu geben, veranstalten wir zudem noch ein kleines Gewinnspiel auf Instagram – aus rechtlichen Gründen losgelöst von der Spendenaktion. Wer den entsprechenden Beitrag liked und in den Kommentaren 3 Freund:innen markiert, hat die Chance auf eine ganze Kiste Wein der fantastischen Adega do Demo aus Galicien (mehr Infos im Post). Top-Stoff! Danke Carlos für die schnelle und unkomplizierte Zusage!

Also, mach mit und teile den Beitrag!

U. a. folgende Organisationen leisten in Valencia Hilfe, die ankommt:


OXFAM Intermon


Unió Llauradora i Ramadera

  • Landwirtschaftlicher Interessensverband in der Comunidad Valencia

  • Bankverbindung: Caixa Popular: ES2931590079132531713424

  • Mehr Infos unter: https://launio.org/

Vegalfaro Haus mit Flasche
©Bodegas Vegalfaro

Das Wohnhaus von Rodolfo Bodegas Vegalfaro

Eine Flasche Rebel.lia des Weinguts zeigt die Verschmutzung

Vegalfaro Reben zerstört
©Bodegas Vegalfaro

Zerstörte Reben bei Bodegas Vegalfaro

Annie von Vina Memorias
©Wsana Woo

Annie von Viña Memorias ist mit dem Schrecken davon gekommen.

Rodolfo Bodegas Vegalfaro
©Wsana Woo

Rodolfo von Bodegas Vegalfaro kann die Situation kaum fassen

Barrique Vina Memoria
©Jörg Philipp

Viña Memorias ist leicht getroffen worden

Vera de Estenas Reben
©Vera de Estenas

Reben unter Wasser bei Vera de Estenas

Valencia Überschwemmung 1957
©MuVIM Valencia

Die Überschwemmung von 1957 in Valencia

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Das Anwesen von Bodegas Vegalfaro ist schwer betroffen

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