26. Februar 2024

Die unbekannte Größe: Airén

Einst die meist angebaute Rebsorte Spaniens!

Spanien hat bei jedem Besuch etwas Neues zu bieten. Häufig gibt es auch Dinge, die man erst mit der Zeit herausfindet oder wenn man sich näher mit dem Thema Wein beschäftigt.

Eines dieser Dinge, über die man früher oder später in Spanien stolpert, ist Airén. Noch nie gehört? Kann ich verstehen. Airén ist eine weiße Rebsorte, die gerne in billigem Wein oder einfach Brandy verschwindet. Wieso ist das so? Bei der Betrachtung der Rebsorte fällt folgendes auf: Verträgt sehr gut Hitze und Trockenheit. Trotzdem hohe Erträge, ordentlich Zucker und eher dezent bei den Aromen. Airén bringt aus dem Stand 14-15 vol.% Alkohol zustande, ohne dass man über das ganze Jahr verzweifelt an der Rebe hantieren muss. Also pflegeleicht, genügsam und ordentlich Ertrag. So macht man Winzer glücklich. Oder?

Als Airén die Bühne in Spanien betrat, um dort für Furore zu sorgen, waren andere Zeiten. In den 1960er gab es viel Nichts, kaum genügend zu Essen und nicht genug Menschen, um sich in der Landwirtschaft zu betätigen. Deshalb waren Rebsorten gefragt, die mit wenig zurechtkommen und viel bringen. Airén ist genau diese Art Rebsorte. Auch Garnacha ist genügsam und bringt hohe Erträge, kommt dabei gleichzeitig gut mit Trockenheit zurecht. Aus heutiger Sicht wurden zu der Zeit sogenannte Massenträger angepflanzt. Masse war wichtig, damit man den Bedarf decken konnte und den Preis gering halten. Deshalb war Airén jahrelang die meist angebaute Rebsorte Spaniens.

Wieso sieht man dann nicht an jeder Ecke Airén Weine?

Obwohl man sie vielleicht sieht, weiß man es nicht immer und es steht vor allem nicht auf der Flasche. Ein Beispiel ist Brandy. Airén bringt wie gesagt ordentlich Alkohol, bei akzeptabler Säure und wenig Eigenaroma. Perfekt für Spirituosen, die später für einige Jahre ins Fass wandern und dort Aromen entwickeln. Man benötigt also nicht zu viel Eigenaroma. Häufig wird Airén in Zentralspanien zu Wein vergoren, anschließend destilliert und wandert dann zur Reifung nach Jerez oder in andere Regionen, die daraus Brandy bereiten. Auch sonst kann es sein, dass Airén unbemerkt in der Flasche landet und zwar bei Sekt. Ja, genau. Was bei uns in den Supermarktregalen steht und auf dem Sekt steht, muss nicht aus Deutschland sein. Bei den Preisen kann der Grundwein nicht aus Deutschland kommen. Wer also Sekt kauft, der ein Produkt aus Deutschland ist, sollte nicht von »Deutschem Sekt« ausgehen.

Und genau diese niedrigen Preise und die steigenden Kosten bringen Airén in Bedrängnis. Was machen, wenn der Brandy-Markt nicht wächst, aber Grundweine aus Airén immer geringere Preise erzielen? Man hört auf, die Rebflächen zu pflegen oder pflanzt eine andere Rebsorte. Dabei sind viele Rebflächen mit Airén deutlich über 30 Jahre alt. In einigen Fällen habe ich 80-90 Jahre alte Reben gesehen. An jeder Rebe hing eine Traube und der Wein daraus war ein unglaubliches Erlebnis. Wie immer hängt es damit zusammen, was man aus einer Rebsorte machen möchte. Prinzipiell kann man mit jeder Rebsorte eine Bandbreite abdecken. Von Masse, mit wenig Aroma und Ausdruck, bis hin zu eigenständigen Weinen, mit ordentlich Wumms. Zugegeben, man kann nicht aus jeder Rebsorte Weltklasseweine machen und nicht jede Traube eignet sich dazu, ordentlich Menge zu produzieren.

Wenn man bedenkt, dass 90 % aller Aromavorstufen in Trauben identisch sind, egal welche Rebsorte, lässt sich aus den meisten etwas Ordentliches zaubern. Wenn man es darauf anlegt.

Aber was bleibt, ist das Image. Airén hatte immer das Ansehen eines Massenträgers und wird von den meisten Weinmachern auch so behandelt. Das Potential zu erkennen und neue Wege zu gehen, bedarf eines Umdenkens. Da dieses Umdenken selten stattfindet und die Nachfrage sinkt, verliert Airén an Boden und ist seit 2021 nicht mehr die meist angebaute Rebsorte Spaniens. Tempranillo hat die Königin Spaniens überholt. Zumindest der Titel »meist angebaute weiße Rebsorte« ist geblieben.

Zum Glück gibt es Weinmacher, die alte Rebbestände schützen und daraus ungewöhnliche Weine machen. Erst jetzt ist mir ein Weingut aufgefallen, das aus alten Airén Reben einen Schaumwein herstellt. Bin neugierig, was mich da erwartet.

Airén Wein erlebt eine kleine Renaissance im Qualitätssegment

Wer also beim Weinkauf etwas genauer auf die Flasche schaut, oder fragt, wird vielleicht einen Airén finden. Besonders im Bereich Bioweine und Schaumwein setzen Winzer zunehmend auf Airén.

Und wer in Deutschland Sekt kauft und gerne einen Sekt aus deutschen Trauben möchte, sollte auf »Deutscher Sekt«, »Sekt b.A.« (bestimmter Anbaugebiete) oder Winzersekt achten. In diesen Fällen ist auf jeden Fall sicher, dass die Trauben aus Deutschland stammen.

Und wer etwas aus Spanien möchte, ist mit Cava auf der sicheren Seite. Übrigens: Kennst du eigentlich den Unterschied zwischen Sekt und Cava?

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viel heißer Wind hier
©Jörg Philipp

Airén

Wächst auch wenns heiß und trocken wird

ein Prachtstück an Airén
©Jörg Philipp

Airén

Richtig kultiviert ein Knaller

steinige Sache
©Jörg Philipp

Airén

Robust und widerstandsfähig

ein Prachtkerl
©Jörg Philipp

Airén

Wächter über alte Airén

strecken oder kriechen
©Jörg Philipp

Airén

Reben können auch kriechen

Hätte lecker Paella geben können
©Jörg Philipp

Airén

In karger Umgebung

auch in Orange sexy
©Jörg Philipp

Airén

Traditioneller Ausbau ist wieder modern

wenns mal wieder heiß hergeht
©Jörg Philipp

Airén

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