


Schon mal von Ycoden-Daute-Isora gehört? Nein? Kein Wunder. Dieses spanische Weinbaugebiet ist nicht nur klein, sondern auch etwas ab vom Schuss, wie man so schön sagt. Geografisch sind wir hier schon weit in Afrika. Ycoden-Daute-Isora liegt im Nordwesten der Kanareninsel Teneriffa, eingepfercht zwischen atlantischen Wassern und steilen grünen Hängen. Bis zur Küste Westsaharas sind es knapp 300 Kilometer, die Südspitze Spaniens liegt in rund 1.300 Kilometer Entfernung.
Wer Teneriffa bereist, ist meist darauf bedacht, sich in den Wintermonaten, umgeben von subtropischer Flora, den mitteleuropäischen Bauch besonnen zu lassen. Das funktioniert in der Regel auch ganz hervorragend, jedoch ist die Sonne nicht das einzige Genussmittel, das die Vulkaninsel zu bieten haben. Ganz genau, die Rede ist von Bananen. Nein, Spaß beiseite, Bananenplantagen gibt es hier zwar reichlich, aber es geht hier natürlich um Wein, der hier weit mehr sein kann als ein netter Tropfen für Tourist:innen.
Alte Reben: Die Reblaus kam nie auf die Kanaren
Die Kanarische Weinwelt ist vielseitig und einzigartig. Mit fünf recht unterschiedlichen Weinbaugebieten weist Teneriffa als größte Kanareninsel auch die ausdifferenzierteste Weinlandschaft aus. Hier finden sich nicht nur einzigartige Anbaumethoden, sondern auch viele alte Reben und Rebsorten - Phylloxera, die Reblaus, kam glücklicherweise nicht auf die Kanaren. Der Grund ist weniger in den speziellen Böden oder der Abgeschiedenheit zu suchen als vor allem in der Tatsache, dass Wein aus Teneriffa zu der Zeit einfach nicht mehr angesagt war, was in den Jahrhunderten zuvor noch ganz anders gewesen ist. Im mehr oder weniger benachbarten und mit ähnlichen Böden ausgestatteten Madeira ließ die Reblaus keine Traube mehr am Stiel und die Weinkultur zugrunde gehen.
»Es ging viel schneller als ich dachte«
Das junge Projekt von Borja Pérez liegt ganz im Nordwesten der Vulkaninsel. Er betreibt eine von aktuell nur 9 Bodegas, die im Rahmen der DO Ycoden-Daute-Isora Wein herstellen - der Name der DO stammt von den Guanchen-Königen Ycoden und Daute sowie der Prinzessin Isora (die Guanchen bewohnten Teneriffa vor der Ankunft der Europäer, die ihrem Dasein, wie üblich, ein trauriges Ende bereiteten). Rund 1.600 Hektar Rebfläche gibt es im Weinbaugebiet, davon fallen jedoch nur 306 Hektar in die Zuständigkeit der DO. Der Rest wird entweder unter der großen, mehr Freiheiten bietenden DO Islas Canarias vermarktet oder ganz ohne DO als spanischer Wein ohne Herkunftsbezeichnung. Ein Fehler, findet Borja, der überzeugt ist, dass die Menschen heute mehr denn je Weine mit Herkunft suchen.
Auch ansonsten hält Borja nicht mit seiner Meinung hinter dem Berg bzw. Vulkan. Heute gebe es kaum noch guten Wein auf Teneriffa, so der Jungwinzer. Mit EU-Subventionen wurden ab den 1990er Jahren zahlreiche internationale Rebsorten angepflanzt, der Weinbau entfernte sich von seinen Wurzeln. Zumindest die Rückkehr zu den alten Sorten hat wieder eingesetzt. Dennoch: die Weine seien in der Mehrzahl »gemacht«, die Winzer:innen setzten zu sehr auf Chemie im Weinberg und Hilfsmittel im Keller, um ein gewünschtes Ergebnis zu kreieren, statt einen authentischen Wein zu erzeugen, der Ausdruck seiner Rebe und seines Terroirs ist. Dies zu ändern ist Borjas erklärte Mission, der im Jahr 2011 den Weinkeller der Familie übernahm und 2014 seinen ersten Jahrgang auf den Markt brachte. Bis der studierte Agrartechniker komplett vom Wein leben und seinen Job als Mechaniker sowie Fahrer bei der Feuerwehr an den Nagel hängen konnte, sollten noch zwei Jahre vergehen. Insgesamt ging alles sehr schnell, viel schneller, als gedacht, so Borja. Heute gehört er mit seiner kleinen Bodega schon zu den bekanntesten Weinproduzenten Teneriffas. Zumindest außerhalb der Kanaren, denn auf der Insel selbst verkauft er kaum Wein. Zu teuer für die Tourist:innen.
Viel Arbeit und geringe Erträge: Qualitätsorientierter Bioweinbau hat seinen Preis
Aktuell bewirtschaftet Borja Pérez 7 Hektar eigene Rebfläche und kauft Trauben von Winzern zu, die weitere 7 Hektar nach seinen Vorstellungen bewirtschaften. Mehr Rebfläche zuzukaufen ist in Teneriffa schwierig für ein kleines Weingut ohne Investoren im Rücken. Geeignetes Land ist knapp und versprengt, mit 200.000 Euro pro Hektar so teuer wie an wenigen anderen Orten in Spanien. Zudem sind die Erträge äußerst gering, wenn die Weinberge ökologisch und qualitätsorientiert bearbeitet werden. Rund 3.000 Kilo pro Hektar holt Borja aus den mit weißen Sorten bestockten Weinbergen, bei den roten ist es ein wenig mehr. So kommt die Bodega auf eine Jahresproduktion von 40.000 Flaschen. Mehr als 50.000 Flaschen pro Jahr sollen es auch nicht werden, um weiterhin alles selbst kontrollieren zu können.

Feucht ohne Regen: Ycoden-Daute-Isora hat ein einzigartiges Klima
2022 war die Wachstumsperiode weitgehend trocken, der ersehnte Regen kam erst während der Ernte. Zwar liegt Ycoden-Daute-Isora auf der grünen Nordseite der Insel, doch regnen tut es nicht viel, spürbar weniger als im benachbarten Valle de la Orotava. Tatsächlich hat jeder Weinberg hier sein Mikroklima, teilweise mehrere, was sich in verschiedenen Lesezeitpunkten für vergleichsweise kleine Parzellen auswirken kann. Dennoch ist es feucht, was an den Passatwinden liegt, die Wolken und Feuchtigkeit bringen, die am Hang hängen bleiben. Auf 400 bis 700 Meter Höhe liegen seine Weinberge. Die Luftfeuchtigkeit liegt hier fast nie unter 70 Prozent! Man solle sich aber nicht von der grünen Kräuterdecke beirren lassen, die die Weinberge überzieht. Nach 10 Zentimetern sei der Boden trocken, so Borja, vor allem in den basaltreichen Böden, die kaum Wasser speichern.
Baboso Negro: das Lieblingskind von Borja Pérez
Borja arbeitet ausschließlich mit autochthonen Rebsorten, vor allem mit Listán Blanco und Listán Negro, den beiden Hauptsorten der Region. Aber auch Albillo Criollo, Marmajuelo, Vijariego und Baboso Negro werden kultiviert. Bei der Ignios Linie werden ausschließlich seine eigenen Trauben vinifiziert. Artífice, die Einstiegslinie, die Borja niemals als solche bezeichnen würde, beinhaltet auch die Trauben der kooperierenden Winzer.
Die Weißweine kommen nach dem Pressen direkt ins Holzfass in seiner kleinen Bodega in La Guancha, wo sie mit wilden Hefen spontan vergären und ein knappes Jahr auf den Hefen schlummern. Lediglich vor der Abfüllung werden sie ein wenig grob filtriert und leicht geschwefelt. Die Weißweine sind straff, geradlinig, teilweise pikant, stets mit reizvollem Frucht-Säurespiel. Und überall der Vulkan, dessen archaische Aromen zu den bestimmenden Charaktermerkmalen seiner Weine zählen. Zwar macht sich das vulkanische Terroir in vielen Weinen Teneriffas bemerkbar, aber nur in wenigen kommt es so prägnant, fast schon dramatisch zum Ausdruck.
Ein Plädoyer für das Filtern von Wein
Reine Naturweine ohne jegliche Eingriffe findet Borja jedoch oft problematisch. Seine Weine sollen Persönlichkeit haben, aber sie sollen auch schmecken und zwar möglichst lange. Würde er seine Weine nicht filtern, bestünde die Gefahr, dass sie einen Teil ihrer Persönlichkeit verlören und das Terroir überdeckt würde, ist Borja überzeugt. Außerdem könne kein einheitlicher Charakter des Weines mehr gewährleistet werden. Seinen Ignios Orígenes Listan Negro filtriert Borja dennoch nicht. Herausgekommen ist einer seiner außergewöhnlichsten Weine: wild, animalisch und dabei gleichzeitig klar, zart und leichtfüßig.
Die Rotweine baut Borja teils im Beton, teils im Barrique aus, um sowohl Frische als auch eine gute Tanninstruktur und Würze zu erhalten. Zu einem guten Teil wird das Traubengerüst mitfermentiert. Die Weine sind ausdrucksstark und zeichnen sich durch Dichte, Klarheit und Vielschichtigkeit aus. Weinmachers Liebling ist Baboso Negro, eine auf Teneriffa nur auf wenigen Hektar angebaute schwierige, eigensinnige und krankheitsanfällige Rebsorte, die zwar nicht zuverlässig Erträge, dafür aber raffinierte Weine hervorbringt. Anders als der transparent im Glas schimmernde Listán Negro ist der Baboso Negro ein farbsatter, purpurroter Wein, der unheimlich viel Spaß macht und mit seinem eleganten krautig-rotbeerigen Profil an den einen oder anderen guten Cabernet Franc von der Loire denken lässt. Plus Vulkan, versteht sich.

Borja Pérez möchte zugängliche Charakterweine machen. Das gelingt ihm gut, denn, auch wenn sie so weit weg von easy drinking Terrassenweinen sind wie Teneriffa von der iberischen Halbinsel, sind sie alles andere als sperrig. Sie laden offensiv dazu ein, erkundet zu werden. Die Einladung sollte man annehmen. Eine hochspannende Erfahrung für alle Sinne.
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